„Wenn man die Dinge alle beherzigt, dann ist man als Bioladen  schon ganz richtig.“

Bernadette Müting-Spickermann erzählt uns im Interview etwas über ihren Bioladen in Kirchhellen. 
Das zwölfköpfige Team bietet über 5000 Produkte an. Im Interview geht sie auf Fragen wie Angebote, Kirchhellen und Nachhaltigkeit ein. Besonders Jugendliche interessieren sich für die Nachhaltigkeit aufgrund von „Friday’s for future“ oder Ähnlichem.

Wie lange sind sie schon insgesamt in Kirchhellen?
In Kirchhellen sind wir seit November 2017.

Wie und wieso kamen sie auf die Idee überhaupt nach Kirchhellen zu kommen?
Ich bin gebürtige Kirchhellnerin. Ich wollte vor 12 Jahren, als wir den ersten Bioladen aufgemacht haben, eigentlich nach Kirchhellen, aber es gab kein Ladenlokal. Dann haben wir erst ein Ladenlokal in Bottrop Fuhlenbrock gehabt. Und dann hat sich die Möglichkeit ergeben, dieses Ladenlokal zu bekommen und dann haben wir es noch ein bisschen mit Zahlen hinterlegt, die man braucht, um zu hören, ist es überhaupt ein Markt für Biokunden, und als wir das bestätigt bekommen haben, sind wir schnell nach Kirchhellen gekommen.

War Ihre Meinung zu Kirchhellen immer positiv?
Aber ja!

Also hat man sie gut empfangen?
Ja, eigentlich war ich nie wirklich ganz weg und das war eigentlich auch ganz schön, dass man auch viele Bekannte wiedergetroffen hat, und man muss aber auch dazu sagen, dass die Kirchhellener alleine nicht Kunden für den Laden sind, sondern dass unser Einflussgebiet auch größer ist: Leute, die aus Dorsten, Lembeck, Dinslaken, Kiesfeld, teilweise aus Oberhausen Königshardt und Gladbeck kommen, sodass man sagen muss, dass das schon ein größeres Einzuggebiet, als nur der Ort hier ist.


Was beinhaltet Ihr Angebot?
Wir haben insgesamt 5000 unterschiedliche Artikel hier im Angebot und eigentlich alles, was man in einem konventionellen Supermarkt bekommt, gibt es ebenfalls bei uns. Wir haben größtenteils Obst und Gemüse, der zweitgrößte Teil ist das Brot und die Molkereiprodukte wie der Käse und darauf sind wir sehr stolz.

 


Gibt es Unterschiede zwischen einem Bioladen und einem „normalen“ Supermarkt?
In einem Bioladen, so wie wir ihn haben, findet man ausschließlich Produkte, die biologischer Herkunft sind, die also zertifiziert sind, und wir bemühen uns, überwiegend sogar Sachen zu haben, die ein sogenanntes Verbandszertifikat haben, also die vom Demeter-Verband, von Naturland oder von Bioland getestet und geprüft worden sind, wo die Anbauer und Hersteller der Produkte regelmäßigen Kontrollen unterliegen, das heißt, dass es keinerlei Pestizide gibt, dass die Tiere keine Antibiotikagaben bekommen oder nur in sehr geringen Mengen oder unter ganz bestimmten Bedingungen.
 
Die Frage ist aber, wie häufig und auf keinen Fall „vorbeugend“, sowie es im konventionellen Bereich erlaubt ist. Wenn das Tier krank ist und eine Karenzzeit vergangen ist, sodass die Schadstoffe abgebaut werden konnten, dann darf es auch wieder verkauft werden. Ansonsten müsste so ein Tier dann im konventionellen Bereich verkauft werden.

Wie groß ist Ihre Konkurrenz?
Konkurrenz belebt das Geschäft und man muss immer sehen, in welchem Bereich ist es wirklich Konkurrenz. Den nächst größeren Bioladen, der genauso aufgestellt ist wie wir, gibt es einmal in Bottrop Fuhlenbrock oder es gibt einen in Gelsenkirchen Buer, einen in Dorsten und einen in Dinslaken, aber die Frage ist ja, was sieht der Kunde als unseren Wettbewerb an. Viele Kunden meinen ebenfalls auch, dass sie im Marktgeschäft frische Waren bekommen, und es gibt einen guten Wochenmarkt. Der könnte genauso gut als Wettbewerb angesehen werden wie auch ein Hofladen oder konventionellen Laden. Dadurch, dass mehr und mehr Bio jetzt auch in den konventionellen Supermärkten verkauft wird, haben wir den Eindruck, dass die Hemmschwelle geringer wird. Die Leute sind eher bereit hier hineinzugehen, weil sie Bio schon in konventionellen Supermärkten kennengelernt haben. Außerdem haben wir den Eindruck, seit „Fridays for future“ unterwegs ist, dass die jungen Leute mehr und mehr auf Nachhaltigkeit achten, ist auch die Hemmschwelle dort geringer. Man kommt hierher, weil man sagt, dass es im Bioladen unverpackte Dinge gibt. Auch wenn wir nicht sagen: „Wir sind ein unverpackt–Laden“. All unser Obst und Gemüse ist unverpackt, bei unserer Käsetheke kann man seine eigene Schale mitbringen, genauso wie beim Brot und Kuchen.

Also achten Sie sehr auf Nachhaltigkeit?
Ja, wir achten sehr auf die Nachhaltigkeit. [...] Also es geht um die reine Nachhaltigkeit, hinsichtlich der Verpackung und auch darüberhinaus, also auch dass wir sagen, wir versuchen CO2-kompensierte Ware anzubieten. Oder aber es wird sofort CO2 kompensiert, das heißt dass auf der einen Seite zwar CO2 ausgestoßen wird, auf der anderen Seite Bäume gepflanzt oder es wird investiert in Nachhaltigkeitsprojekte, wo dann eine Rückgewinnung stattfindet. Es geht darüber hinaus darum, dass man sagt, die soziale Komponente ist wichtig, also es gibt Partnerschaftsprojekte zum Beispiel in Burkina Faso, wo unser Großhandel, der ja auch unser Bioladenlogo hat, in Projekte investiert, von Frauenkooperationen oder Bereichen, wo die Leute Cashewkerne oder Mangos anbauen, wo die Kinder in den Kindergarten gehen können, wo man den Leuten garantiert: Wenn ihr eure Sachen geerntet habt, dann nehmen wir euch alles ab. Wir sorgen für den Transport und wir zahlen euch faire Preise für eure Arbeit, dass sie auch einen ordentlichen Lohn haben und ein regelmäßiges Einkommen. [...] Wir haben da hinten an der Wand stehen: „von glücklichen Tieren“. Also wir selber, mein Mann und ich, wir sind der Meinung, dass man, wenn ein Tier geschlachtet wird, es auch vernünftig leben muss, dass es vernünftig gefüttert wird und Auslauf hat und frische Luft. Und wenn man die Dinge alle beherzigt, dann ist man als Bioladen schon ganz richtig.

von Franka Schulte-Bockum und Zi-Cing Cheung