Offene Lernformen und Freiarbeit 
am VGK

  Offene Lernformen

Vor dem Hintergrund grundlegender gesellschaftlicher Herausforderungen forderte der „Club of Rome“ (= eine 1968 gegründete Wissenschaftlervereinigung, die sich für eine nachhaltige Zukunft einsetzt) bereits vor vielen Jahren, dass „tradiertes Lernen“ – als Erwerb von Wissen und Können zur Bewältigung bekannter, sich wiederholender Situationen verstanden – ergänzt bzw. ersetzt werden müsse durch „innovatives Lernen“ zur Vorbereitung auf neue Situationen bzw. auf neuartige Problemlagen. Damit stehen für die Gesellschaft und den einzelnen Schlüsselqualifikationen wie Leistungsbereitschaft, Selbstständigkeit, Teamfähigkeit und Verantwortungsübernahme im Mittelpunkt.

Um den Erwerb dieser Schlüsselqualifikationen in der Schule weitgehend zu fördern, müssen im Unterricht verstärkt Lernformen zum Einsatz kommen, die der inneren Differenzierung, der Eigenaktivität, der Selbststeuerung, der Mitverantwortung und der Problemlösefähigkeit der Lernenden einen hohen Stellenwert einräumen. Zu den wichtigsten erweiterten Lernformen und Konzepten gehören Projekte und der offene Unterricht, zu dem auch die Freiarbeit zählt.

Um den Anforderungen einer sich ständig verändernden Lebenswirklichkeit zu entsprechen hat sich das VGK für die Einführung von Freiarbeit entschieden, weil sie zudem an die Arbeit der Grundschule anknüpft, in der sie häufig auch in Form der Wochenplanarbeit vorkommt, und sie ebenfalls unter Berücksichtigung des Alters der Kinder die umfassendste und konsequenteste Form individueller Förderung darstellt.

Gegenüber geschlossenen, vorgeplanten Lernformen können offene Formen wie die Freiarbeit …

  • verstärkt eingehen auf Fragen und Interessen der Kinder und Jugendlichen
  • den Verschiedenartigkeiten der Schülerinnen und Schüler Rechnung tragen
  • Erfahrungen und Handeln an außerunterrichtlichen Lernorten ermöglichen
  • Freiräume für eigenverantwortliche Entscheidungen der Schülerinnen und Schüler im Arbeits- und Lernprozess in unterschiedlichen Dimensionen eröffnen.

Natürlich kommen weitere offene Lernformen im Fachunterricht unserer Schule vor. So findet sich beispielsweise im Unterricht das Lernen an Stationen oder nach selbstgewählten Themen. Wir bieten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu lernen, indem sie lehren, also selbst einen Teil einer Unterrichtsstunde nach Absprache gestalten oder später sogar ein Tutorium oder eine AG leiten.

Freiarbeitsklassen in der Erprobungsstufe

Seit dem Schuljahr 2010/2011 werden in der Erprobungsstufe Freiarbeitsklassen eingerichtet, in deren Stundenplan unter den Bedingungen von G8 zwei Stunden Freiarbeit von je 67,5 Min. (seit dem Schuljahr 2014/15) fester Bestandteil waren. 

Seit Einführung der Stundentafel
G9 stehen nur noch 45 Minuten pro Woche zur Verfügung, die aber durch den neu eingeführten Informatik-Unterricht zu 90 Minuten erweitert werden. Zu den Arbeitsfeldern der Freiarbeit gehören auch Teile des LAT-Unterrichts (Lern- und Arbeitstechniken).

In den sogenannten Freiarbeitsstunden wird folgende Zielsetzung verfolgt:

Freiarbeit …

  • fördert die individuellen Fähigkeiten eines Kindes
  • berücksichtigt eigene Interessen des Kindes
  • bezieht eigenes Wissen und Können wie auch eigene Erfahrungen eines Kindes verstärkt ein
  • hilft, überfachliche Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen, denn die Lebenswirklichkeit ist außerhalb der Schule nicht in Fächer aufgeteilt
  • stärkt die Eigenverantwortung für den Lernprozess
  • ermöglicht es dem Kind, Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Eigentätigkeit und eigenes Handeln zu erwerben
  • schult und stärkt die Selbstständigkeit, Planungskompetenz und Entscheidungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler
  • führt zu ausdauerndem und konzentriertem Arbeiten an einem selbst gewählten Thema
  • übt den verantwortlichen Umgang mit Freiheit ein
  • leitet Schülerinnen und Schüler an, mit Partnern und im Team zu arbeiten.

Die Klassenräume sind zu diesem Zweck mit Regalen, Ordnern und Büchern ausgestattet. Darüber hinaus ist ein zusätzlicher Freiarbeitsraum eingerichtet, in dem das Freiarbeitsmaterial, PCs, eine Leseecke und Gruppentische zu finden sind.

In der Freiarbeit geht es einerseits um fachliches Lernen. Andererseits genügen isolierte Kenntnisse allein nicht, um neuen Herausforderungen zu begegnen. Deshalb stellen wir Bezüge zwischen den Inhalten der Fächer und über die Fächergrenzen hinaus her und zeigen Zusammenhänge auf. Kreative und gestalterische Arbeiten kommen dabei jedoch nicht zu kurz.

Das Lernangebot reicht vom wiederholenden und vertiefenden Üben bis hin zum entdeckenden, forschenden Lernen nach eigenen Interessen. Individuelle Förderung steht somit im Mittelpunkt der Freiarbeitsstunden. Hier kann – anders als im Fachunterricht – der jeweils benötigte Zeitrahmen individuell besser abgestimmt werden.

In der Freiarbeit finden sich Selbstlernmaterialien zu vielen Unterrichtsfächern bzw. Fachbereichen. Selbstlernmaterialien sind so gestaltet, dass die Schülerin bzw. der Schüler alle notwendigen Informationen vorfindet, um das Thema oder die Aufgabe selbstständig bearbeiten zu können. Dies bedeutet auch, dass – soweit möglich – Lösungen eingesehen werden können. Bei komplexen Aufgaben gibt es in der Regel Musterlösungen.

Die Schülerinnen und Schüler haben somit die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Themengebieten, Aufgabenarten und Schwierigkeits- und Komplexitätsgraden zu wählen. Bei der Materialerstellung wird darauf geachtet, dass für alle Interessen und Bedarfe etwas dabei ist und dass jedes Material unterschiedliche Lernkanäle bedient, denn es gibt unterschiedliche Lerntypen.

Das Kind wählt aus dem Materialangebot ein geeignetes Thema oder eine Aufgabe. Es arbeitet entweder allein oder mit einem Partner oder in einer Kleingruppe. Bei Rückfragen wendet es sich an die jeweilige Freiarbeits- oder Fachlehrerin bzw. -lehrer.Die Schülerin bzw. der Schüler hält am Ende jeder Freiarbeitsstunde in einem Freiarbeitsordner fest, was sie bzw. er bearbeitet hat. Dem Freiarbeitslehrer dient dies zur Übersicht über den Lernprozess des einzelnen und ggf. als Grundlage für ein Beratungsgespräch. Alle beteiligten Lehrerinnen und Lehrer achten darauf, dass die Schülerinnen und Schüler im Laufe eines Halbjahres oder Schuljahres Themenbereiche aus möglichst vielen verschiedenen Fächern abdecken und unterschiedliche Aufgabenarten wählen. Sie stehen unmittelbar zur Beratung der einzelnen Schülerinnen und Schüler zur Verfügung und sorgen dafür, dass die Arbeitsatmosphäre angemessen ist und Freiarbeitsregeln eingehalten werden. Fertig bearbeitete Aufgaben und Themen werden an die jeweilige Fachlehrerin bzw. den Fachlehrer weitergeleitet, von diesen korrigiert und anschließend der Schülerin oder dem Schüler kommentiert zurückgegeben. Bei speziellen Fragen können die Schülerinnen und Schüler auch andere Lehrerinnen und Lehrer zu Rate ziehen.

Sollte einmal für ein Kind, das schon sehr viel weiß und gerne mehr über ein bestimmtes Thema lernen will, kein entsprechendes Material dabei sein, so ist es auch möglich, in Absprache mit dem Fach- bzw. dem Freiarbeitslehrer eine eigene Aufgabenstellung zu vereinbaren oder ein eigenes Material zu entwerfen und anschließend zu bearbeiten.

Im Laufe ihrer Erfahrungen in der Freiarbeit werden die Kinder schnell selbstständiger und bestimmen ihr Lernen zunehmend selbst. Anfänglich wird der Schülerin oder dem Schüler noch viel vorgegeben, was sie bzw. er jeweils zu tun hat. Später sind sie in der Lage, den Gegenstands- bzw. Themenbereich eigeninitiativ auszuwählen, die Fragestellung zu definieren und selbst die passende Methode festzulegen, mit deren Hilfe sie den Gegenstand oder das Thema bestmöglich aufbereiten. Lernergebnisse können im Fachunterricht präsentiert oder – wenn es sich um ein Produkt handelt – an geeigneter Stelle in der Schule ausgestellt werden.